
Der Staat sind wir
Wie kein zweiter Schriftsteller warf sich Günter Grass für die Sozialdemokraten in die Wahlschlacht, doch anders als vier Jahre zuvor stand der Hauptgegner nicht rechts. Der politische Erfolg seines Engagements blieb ungewiss, literarisch ging zwischen den Fronten der Esprit verloren.
Bei seinem ersten Engagement 1965 war alles einfacher gewesen, der Großschriftsteller kämpfte an der Seite des ehemaligen Exilanten Willy Brandt gegen das ehemalige NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger. Der »gelernte Sozialdemokrat« verteidigte die Lichtgestalt der Linken schon allein aus »Mitgefühl mit dem Diffamierten«. Anders als die meisten linken Intellektuellen bejahte er den Staat und warf sich in die »Drecklinie des politischen Kleinkampfes«, um für jene »solide, etwas farblose Sozialdemokratie« einzutreten. Seine Auftritte waren oft ungehobelt, die derbe Sprache der »Blechtrommel« prägte seine Auftritte. Grass polarisierte und schreckte damit nicht wenige »brave Bürger« eher ab. Für sie blieb er ein Schmutzfink, der so unanständige Dinge beschrieb, »über die nicht einmal Eheleute miteinander sprechen«, wie sich der damalige Bundespräsident Lübke ausdrückte.