»Wir brauchen politisches Heldentum«
SPIEGEL-Gespräch Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt Einblicke in seine ersten Monate im Amt, spricht über deutsche Bücher, die Kanzlerin und sein Projekt für Europa.

Ein Nachmittag in Paris. Es nieselt leicht, der Himmel hat eine Farbe, die dem säuberlich geharkten Kies im Innenhof des Élysée-Palasts ähnelt: Beigegrau. In einer Empfangshalle im ersten Stock tickt auf dem Kamin eine goldene Standuhr, auf dem Tisch liegt ein Bildband von Velázquez. Eine Flügeltür öffnet sich. »Monsieur le Président«, ruft ein uniformierter Gardist und salutiert. Emmanuel Macron begrüßt die Besucher und führt in sein Büro mit goldenem Stuck und goldenen Sesselchen, mehr Ballsaal als Arbeitszimmer. Hinter den Fenstern wellt sich sattgrün der Palastgarten. Bei seinem letzten Treffen mit dem SPIEGEL, wenige Wochen vor dem ersten Wahlgang im April, war das Setting noch ein anderes: Das Gespräch fand in einem Zugabteil der zweiten Klasse zwischen Bordeaux und Paris statt. »Und beim nächsten Mal im Élysée!«, hieß es zum Abschied ironisch. Und derjenige, der damals mit jedem Tag und mit jeder Umfrage mehr vom Überraschungskandidaten zum Favoriten wurde, klopfte sich mit der Hand auf die Stirn. »Ist kein Holz in der Nähe, soll man auf Affen klopfen«, erklärte Macron damals. Als er sich an die Szene erinnert, nickt er ernst, rutscht kurz übers goldene Sofa und klopft dreimal auf die hölzerne Lehne. Seitdem der 39-Jährige zum Präsidenten gewählt wurde, hat in Frankreich ein ungewöhnliches politisches Experiment begonnen: Große Teile der politischen Klasse wurden ausgetauscht und verjüngt, Privilegien abgeschafft, die klassischen Parteien zu Nebenrollen verdammt. Macron provoziert, fordert, prescht vor, mutet seinen Wählern viel zu. Selbst der Élysée-Palast blieb von ihm nicht verschont. Macron ließ Tapisserien von den Wänden abhängen, schwere Möbel hinausräumen und moderne Bilder aufhängen. Nur logisch also, dass auch sein Hund beim SPIEGEL-Gespräch dabei sein durfte.