Frühes Dichterbier
Der Dresdner Dichter Durs Grünbein erzählt in seinem Prosabuch Die Jahre im Zoo über seine Heimatstadt und das Aufwachsen dort.
Suhrkamp; 400 Seiten; 24,95 Euro.
Von Volker Weidermann

Er weiß ja auch nicht mehr, wie er da hingeraten war, in die Mitropa-Gaststätte im Dresdner Hauptbahnhof, irgendwann Anfang der Achtzigerjahre. Er besuchte damals noch die Oberschule, kurz vor den Abschlussprüfungen, Bier mochte er nicht, zu bitter, aber jetzt war er mit zwei Kameraden unterwegs, die Bier liebten. Der eine war von der Mutter kurz zuvor mit einem Gürtel durchgeprügelt worden, als sie eine Menge leerer Bierflaschen unter seinem Bett gefunden hatte. Hier in dieser Bierhöhle trafen sie auf einen Museumswärter aus dem Grünen Gewölbe, dem zwei Finger fehlten, und eine zahnlose Alte mit dem Gesicht eines verschrumpelten Apfels. »Sozialistische Urmenschen« nennt Durs Grünbein diese beiden, die die Jungs sofort auf ein, zwei, drei Biere einladen. Der Rausch beginnt: »Wir schwammen nur so im Gelächter, wir, die naiven Oberschüler, und diese sächsischen Witzbolde. Es war eine Allianz, von der ich bis heute träume.« Es war die Zeit, in der er seine ersten Verse schrieb, Geburtstage eines Dichters, in denen er begreift, dass Gedichte schreiben bedeutet, sich von sich selbst abzuspalten. Das Ich wird ein Er. Und er spürt, »dass dies erst der Anfang war und ein Weg in die Freiheit«.