Westberliner Mad Man
Subkultur mit Glamour: In Der lange Sommer der Theorie erzählt der Historiker Philipp Felsch die Geschichte des Merve-Verlegers Peter Gente.
C. H. Beck; 328 Seiten; 24,95 Euro.
Von Tobias Rapp

Was ist in den vergangenen Jahren nicht alles an Büchern über die Westberliner Subkulturen erschienen. Historische Darstellungen, Romane, Essays, Autobiografien: kaum ein Aspekt, der nicht umfassend ausgeleuchtet worden ist, von der Musik bis zur Altbausanierung. Nur eine Figur, die all das zusammenhielt, die fehlte. Dabei gibt es sie: Peter Gente, Gründer des Theorie-Verlags Merve. Über ihn hat Philipp Felsch, 43, Geschichtsprofessor an der Humboldt Universität, sein Buch Der lange Sommer der Theorie geschrieben. Gente, geboren 1936, war Anfang der Fünfziger zum Studium nach Westberlin gezogen, wo er durch Adornos Minima Moralia das Denken lernte. Ein Büchernerd, der zur Hintergrundfigur der Studentenbewegung wurde, weil er die verschollenen linksradikalen Theoriewerke aus den Zwanzigern beschaffen konnte. Er begann mit Raubdrucken und verlegte schließlich selbst Bücher. Der Verlag war ein Kollektiv, doch im Palaver der Siebzigerjahre-Küchentisch-Kultur verzettelte sich die Gruppe. Denker wie Jean Baudrillard und Michel Foucault retteten Gente. Er entdeckte das Nachtleben und ging mit Foucault in den »Dschungel«, den legendären Szeneklub in Berlin-Schöneberg. Es ist eine Geschichte, die Westberlin so erzählt, wie die Serie »Mad Men« es für New York tat. Mit Figuren wie Merve Lowien, Gentes Ehefrau, nach der der Verlag benannt wurde, einer linksradikalen Arbeitertochter. Mit Heidi Paris, der späteren Partnerin Gentes, die ihn in die Kunstszene einführte, hoch intelligent und schizophren. Mit Randfiguren wie David Bowie, der auch im »Dschungel« war. Und mit allen wesentlichen subkulturellen Milieus des alten Berlins: Studenten und Hausbesetzer, Hedonisten und Künstlern.