»Ich bin total verantwortunglos«
SPIEGEL-Gespräch Karl Lagerfeld ist der berühmteste Modedesigner der Welt, bewundert und geliebt als Genie und Künstler. Er sagt, er sei ein Egoist und eine karikaturhafte Erscheinung, über die er selbst manchmal lachen müsse.

Mit nur 52 Minuten Verspätung, und das ist für ihn nicht viel, betritt Karl Lagerfeld die Räume in der Rue de Lille N° 7 in Saint-Germain, Paris. Das Haus aus dem 19. Jahrhundert hat er nach seinen Vorstellungen umbauen lassen, vorn ein Buchladen, klein und exquisit, von dort geht es durch eine Schiebetür in zwei große Besprechungsräume. Hohe Decken, klares Licht, jeweils ein großer, quadratischer Tisch. Vasen mit weißen Gladiolen. Stapel von Kunstbüchern, Fotobüchern, Gedichtbänden. Gerahmte Fotos, großformatig, lehnen an den Wänden. Hinter den beiden Konferenzräumen liegt Lagerfelds Fotostudio, so hoch wie ein Hallenbad, an den Wänden Bücherregale. Lagerfeld hat einen etwas trippelnden Gang, er redet sehr schnell, Französisch, Deutsch, Englisch durcheinander. Es ist, als wäre eine Comicfigur zum Leben erwacht – die weißen Haare, der Gehrock, die Sonnenbrille: Karl Lagerfeld, 81 Jahre alt. Er ist der wohl mächtigste Modedesigner unserer Zeit, seit über 30 Jahren entwirft er für Chanel, außerdem für Fendi und für seine eigene Lagerfeld-Linie. Nebenbei ist er Fotograf und seit einiger Zeit auch Verleger. Seine Assistenten, darunter viele junge, muskulöse Männer in T-Shirt und mit grauer Wollmütze, rücken Stühle, räumen Bücherstapel weg und stellen für ihren Chef ein Glas Diet Coke bereit. Die Pressesprecherin achtet darauf, wer rechts von Lagerfeld sitzt, links hört er nicht mehr so gut. Das Gespräch wird fast zwei Stunden dauern, während dieser Zeit nimmt Lagerfeld seine Sonnenbrille nur einmal kurz ab.