Zweifel am Notfallmittel

Es ist ein trauriger Weltrekord: Insgesamt 88 wissenschaftliche Aufsätze des Ludwigshafener Anästhesisten Joachim Boldt werden von 18 medizinischen Fachzeitschriften jetzt zurückgezogen, weil für diese Patienten-Studien die Zustimmung der Ethikkommission fehlte. Einiges deutet darauf hin, dass zudem im großen Stil Daten gefälscht wurden. Der Skandal weckt Zweifel, wie hilfreich es wirklich ist, bei Blutverlust in der Notfall- und Intensivmedizin das Medikament Hydroxyethylstärke (HES) einzusetzen - genau das hatte Boldt unter Berufung auf seine Studien stets propagiert. Während jedoch die britische Chirurgenorganisation die Behandlungsleitlinie zum Einsatz von HES sofort überprüfen ließ, wiegelt die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin ab: Der klinische Einsatz von HES müsse »gegenwärtig nicht neu bewertet werden«. Mit den Fakten nehmen es die obersten Anästhesisten dabei aber nicht so genau. Um die Vorteile von HES zu untermauern, verweisen sie vor allem auf eine US-amerikanische Untersuchung. In der Originalveröffentlichung wird jedoch die Aussagekraft der Studie in Frage gestellt - die geringere Sterblichkeit bei Verwendung von HES, heißt es, könne ebenso gut »Zufall« sein.